Alles begann in einem Streichelzoo

Die Freie Schule Bochum hat seit dem Jahr 2000 eigene Schultiere. Angefangen hat alles mit einer Klassenfahrt auf einen Zeltplatz mit einem Streichelzoo, auf dem viele Tiere gemeinsam in einem großem Gehege gelebt haben. Der Wunsch der Kinder der damaligen Klasse 6 war, Schultiere auch in ihrer eigenen Schule zu haben. Bald darauf wurde dieser Wunsch in die Tat umgesetzt. Auf dem Gelände hinter dem kleinen Altbau wurde ein Holzstall für die Tiere gebaut und kurz danach zogen die Ziegen Lilly und Lola ein. Das Schwein Bärbel ließ auch nicht lange auf sich warten. Da die Kinder es nicht in Ordnung fanden, dass ein Schwein keinen Partner hat, kam kurz darauf das vietnamesische Hängebauchschwein Rufus dazu.

Im Jahr 2008 sind die Schultiere „umgezogen“, da sich durch den Neubau das Außenschulgelände verändert hat. Nun haben unsere Tiere ein richtig gemauertes Haus, einen gepflasterten Auslauf und eine große Wiese, um sich auszutoben.

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Unsere Tiere

 
Mittlerweile haben wir zwei Ziegen (Hörnchen und Fleckchen), zwei Hängebauchschweine (Luki und Nougat), zwei Stallkaninchen (Supreme und Uwe) und 3 Meerschweinchen (Frieda 2, Wuschelpuschel, Lena).

All diese Schultiere müssen natürlich täglich versorgt und gepflegt werden. Konzeptionell ist dieses u. a. in den Schulalltag der Grundschule eingebunden. Jede Klasse kümmert sich an einem Vormittag in einer Arbeitszeit um unsere Tiere. Im Klassenverband werden die Kinder in Kleingruppen eingeteilt, um die täglich anfallenden Arbeiten und Aufgaben zu erledigen.

  • das Füttern der großen Tiere
  • das Füttern der kleinen Tiere
  • das Fegen des gepflasterten Auslaufs
  • das Säubern der Tierwiese

Bei Bedarf müssen ebenso die Ställe gesäubert werden oder in der Sommerzeit Löwenzahn für die kleinen Tiere gesammelt werden.

Beliebt ist bei den Kindern nach getaner Arbeit natürlich auch, die Tiere zu streicheln, zu kuscheln oder sie einfach nur zu beobachten. Gerne gehen die Ziegen auch einmal auf dem Schulhof mit den Kindern spazieren. Eine interessante Erfahrung für die Kinder hierbei ist, dass eine Ziege einen komplett eigenen Kopf hat und sich nicht ohne weiteres die Richtung vorgeben lässt. Einfühlungsvermögen und Geduld ist an dieser Stelle von den Kindern gefordert.

An einem Tag in der Woche übernimmt eine AG aus der Sek1 das Versorgen der Schultiere.

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Versorgung an schulfreien Tagen

 
An den Wochenenden und in den Schulferien übernehmen eingearbeitete Eltern mit ihren Kindern oder ältere Schüler:innen, die durch den Haus, Hof, Garten – Bereich im Stundenplan der Grundschule gut eingearbeitet sind, die Aufgaben im Stall.
In den Ferien pflegen die Eltern die Tiere tage- oder wochenweise. Am jeweiligen Ende der Zeit verständigt man sich mit dem darauffolgendem „Tierdienst“, um eine gute Übergabe zu gewährleisten. An diesem Tag werden Besonderheiten der Woche und Auffälligkeiten besprochen.
Im Hintergrund steht immer eine Notrufbereitschaft. Hierbei handelt es sich um Kollegen der Schule, die vom Veterinäramt Bochum die Genehmigung nach § 11 Tierschutzgesetz einen Sachkundenachweis zur Tierhaltung bekommen haben. Sollte ein Tier erkrankt sein, wird unser Tierarzt kontaktiert.

Durch den täglichen Umgang mit den Tieren und ihre Einbindung von ihnen ins Schulleben, ergeben sich wichtige Themenbereiche des menschlichen Zusammenlebens.

Kinder lernen, für ein anderes Lebewesen Verantwortung zu übernehmen. Hierzu gehört Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen. Die Tiere müssen jeden Tag versorgt werden. Egal ob es regnet oder kalt ist.

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Das Tierleben erleben

 
Durch den Umgang mit den Tieren lernen die Kinder auch, die Tiere und ihre Bedürfnisse zu verstehen und sich ihnen angemessen gegenüber zu verhalten. Rücksichtnahme und Verständnis sind ganz wichtige Aspekte hierbei.

Ein schwerwiegendes Ereignis ist es, wenn ein Tier wegen Krankheit oder aus Altersgründen verstirbt. Von selbst setzen sich die Kinder in Gesprächen darüber auseinander, trauern gemeinsam, machen sich über „das Leben nach dem Tod“ Gedanken und nehmen Abschied. Handelt es sich um ein kleines Tier, wird eine Beerdigung durchgeführt.

Ein schönes Ereignis ist es dahingegen immer, wenn wir einen Neuzugang im Stall haben. Traditionell wird in einer demokratischen Wahl ein Name für das neue Tier gefunden. Jeder kann einen Namenswunsch bis zu einem festgelegten Zeitpunkt einreichen. Danach wird in einer geheimen Wahl abgestimmt und anschließend das Ergebnis ausgezählt und verkündet.

Ein besonderes Erlebnis war es für alle Schülerinnen und Schüler, als im Juni 2018 der Kaninchen-Neuzugang Snow überraschend Mutter von zehn Kaninchenjungen wurde. Die ganze Geschichte könnt Ihr hier nachlesen >>

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Der Kleintier­führerschein in der ersten Klasse

In der Klasse 1 geht es vor dem eigentlichen Tiere versorgen darum, sie erst einmal kennen zu lernen und sich an sie zu gewöhnen. Für kleine Kinder ist eine Ziege bzw. ein Schwein ein relativ großes Lebewesen und je nachdem wie die individuellen Vorerfahrungen der Kinder sind, ist es auch möglich, dass kaum Berührungspunkte zu solchen Tieren bestanden. Die Kinder lernen ihre Angst zu überwinden, Mut zu fassen und sich etwas zu trauen, indem sie vielleicht das erste Mal in ihrem Leben ein Schwein anfassen.

Das Hauptthema der Klasse 1 ist der „Kleintierführerschein“. Jedes Kind der FSB darf erst die kleinen Tiere streicheln und die Meerschweinchen auf den Schoß nehmen, wenn es den Kleintierführerschein bestanden hat. Hierzu lernen und besprechen die Kinder ganz viel über Kleintiere. Folgende Themen werden hierbei behandelt:

  • Was sind Fluchttiere? Wie verhalte ich mich im Stall richtig?
  • Was sind Nagetiere? Was hat das mit der Nahrung zu tun?
  • Wie ist die Sprache der Meerschweinchen und was wollen sie uns sagen?
  • Wo kommen die Meerschweinchen her?
  • Wie erkenne ich Krankheiten und was muss ich dann machen?
  • Wie leben Meerschweinchen und Kaninchen in freier Natur?
  • Warum darf ich kein Meerschweinchen oder Kaninchen alleine halten?
  • Was braucht das Tier um glücklich zu sein?
  • Wie streichele ich das Tier und wie hebe ich es sicher hoch?

Am Ende dieser Unterrichtsreihe folgt eine theoretische „Klassenprüfung“, in der das Wissen der Kinder abgefragt wird. In der praktischen Prüfung geht es darum, ein Meerschweinchen sicher auf den Schoß zu nehmen, zu streicheln und wieder abzusetzen.
Nach erfolgreichem Bestehen erhält jedes Kind den Kleintierführerschein und darf von da an die Tiere streicheln und auf den Schoß nehmen. Dieser Führerschein hat „Kultstatus“ in unserer Schule. Selbst bei Ehemaligentreffen wird er immer wieder erwähnt.

Die Arbeit der Freien Schule Bochum für und mit den Schultieren hat im Jahr 2018 mit der Verleihung des Tierschutz-Stifterpreises der Stadt Bochum eine besondere Anerkennung erfahren. Alle Informationen zur Preisverleihung findet Ihr hier: TierschutzStifterpreis.

Inzwischen wurde das Preisgeld von 1000 in die Neugestaltung des Tiergeheges investiert. Was alles insbesondere für die Ziegen und Schweine geschaffen wurde, könnt Ihr in diesem Blogpost nachlesen >>

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Der erste Schulgarten

Der erste Schulgarten der Freien Schule Bochum entstand im Jahr 1995. Damals gab es einen Teich, in dem nicht immer nur die Enten schwammen, sondern auch mal ein Huhn mit Schwimmhilfe, dem es zur Aufgabe gemacht wurde, verwaiste Entenküken aufzuziehen und ihnen das Schwimmen beizubringen. Zur allgemeinen Gartenarbeit kam 1999 auch noch eine Vogelvoliere hinzu. Durch die Teilnahme am damaligen Trill-Wettbewerb gewann eine Sek 1-Klasse sogar mit dieser Voliere eine Klassenfahrt nach Teneriffa.

Mit dem Bau unseres Neubaus veränderte sich der Schulgarten im Jahr 2000 und entstand in seiner momentanen Form. Jede Grundschulklasse hat ein eigenes Schulbeet, um das sich die SchülerInnen in den warmen Monaten des Jahres kümmern.

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Jahreszeitliche Arbeit in den Schulbeeten

Im Februar beginnt in unserer Schule in allen vier Grundschulklassen die Vorbereitung für die Schulbeet-Saison.

In jeder Klasse werden Gruppen für die Schulbeete gebildet. Jede Gruppe umfasst drei bis fünf Kinder. Vorzugsweise teilt sich die Klasse selbst in diese Gruppen ein. Wichtig ist, dass sich jedes Kind in der Gruppe wohl und sich niemand ausgeschlossen fühlt. Für ein gutes Miteinander gibt sich jede Gruppe ihren eigenen Namen. Die Kinder der Klasse 4 legen für die Kinder der neuen Klasse 1 ein Beet an, das sie bis zu den Sommerferien pflegen. Die neuen Erstklässler übernehmen nach den Sommerferien somit Beete, auf denen geerntet werden kann.

Ab März reflektieren die Kinder die Vorerfahrungen der letzten Ernte. Fragen werden besprochen. Was war gut? Was hat nicht so gut geklappt?

Mit dem Bewusstmachen, wie Pflanzen sich in der Erde vom Samen zur Pflanze entwickeln, planen die Gruppen, welche einjährigen Pflanzen sie säen wollen. Hierbei ist wieder die Abstimmung in der Gruppe sehr wichtig. Bewährt haben sich Kartoffeln, Kapuzinerkresse, Kresse, Radieschen, Salat, Kürbis, Schnittlauch, Sonnenblumen und Tagetes.

Zum Unterrichtsbaustein “Bienenprojekt“ legen die Kinder bienen- und insektenfreundliche Beete mit heimischen Wildblumenmischungen an.

Wenn das Wetter trocken, es tagsüber warm genug ist und keine Nachtfröste mehr auftreten, beginnt die aktive Arbeit im Schulgarten. Die Kinder lockern den Boden auf. Die Reste der im Herbst zur Gründüngung gesetzten Pflanzen (Phraselie oder Luzernen) werden zerkleinert und in den Boden eingearbeitet. Auch reifer Kompost aus dem Tierstall wird nach Bedarf auf die Beete aufgebracht. Bei allen Beetarbeiten ist eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Klasse nötig.

Die Klassenbeete werden durch Trampelpfade oder Steinreihen unterteilt, um innerhalb des großen Klassenbeets kleinere Beete für die Beetgruppen zu kennzeichnen.

Im weiteren Verlauf wird die Erde so vorbereitet, dass gesät oder gepflanzt werden kann.

Wichtige Themen sind der verantwortungsbewusste Einsatz der Gartengeräte, der respektvolle Umgang mit dem Nachbarbeet und das soziale Miteinander während der Arbeit in den Gruppen selbst.

Nachdem die Kinder ihre Einsaat abgeschlossen haben, werden regelmäßig das Unkraut gejätet, die Erde gelockert, gewässert und eventuell Schädlinge wie Schnecken, Kartoffelkäfer etc. entfernt. Erste Ernten stehen an.

Zu Beginn des neuen Schuljahres (nach den Sommerferien) werden die Beete vor der Ernte vom „Unkraut“ befreit. Alle Wildkräuter lernen die Kinder zu unterscheiden und erfahren, welche essbar oder giftig sind, welchen (Heil-) Nutzen sie haben. Die Kinder probieren die Pflanzen, kochen Tees und nutzen sie als Färberpflanze oder in der Küche. Kräuter (z. B. Franzosenkraut), die für die Tiere geeignet sind, werden an die Schultiere verfüttert. Kartoffeln und Gemüse werden in den Beetgruppen geerntet. Die aufgeteilte Ernte wird mit nach Hause genommen und dort zubereitet. Ein Teil der Kartoffeln wird für Aktionen (z. B. Stärke-Experiment, Kartoffeldruck) in der Kartoffelwerkstatt zurückgelegt.

Fragen kommen aus der direkten Lebenswirklichkeit, werden im Zusammenhang besprochen: „Warum sind Würmer im Kompost? Warum sind Nacktschnecken für die Ernte schädlich? Wie bekämpft man sie, ohne Gift einzusetzen? Was sind Kartoffelbeeren und Kartoffelkäfer? Was machen Gehäuseschnecken?“

Im Herbst ernten die Kinder die Äpfel im Schulgarten und stellen ihren eigenen Apfelsaft her. Auf den Beeten entfernen die Klassen alle Steine und Stöcke und säen Gründüngung oder der angelegte Kompost wird verteilt und untergegraben. Alternativ möchten wir in Zukunft die Methode „No Dig“ in unserem Schulgarten verwirklichen und testen. Der Boden wird in seinem Gefüge über den Winter sich selbst überlassen, nicht vorher umgegraben, sondern nur mit Kompost und Pappen abgedeckt.